Wie sehr sich heute Medizin und Biologie annähern, zeigt sich in der Zellforschung. Hier sind die Übergänge längst fließend und vor allem interdisziplinär. Ein Beispiel ist das Verständnis von Proteinen. Diese Eiweiße regeln wichtige Prozesse in unserem Körper und je besser sie erforscht sind, um so mehr verstehen wir die Gesamtzusammenhänge.
Eines dieser Proteine ist Titin, das zu den größten Eiweißen im Körper gehört. Es spielt eine wichtige Rolle in Muskeln, unter anderem auch im Herzmuskel. Biologen haben jetzt den Lebenszyklus dieses Proteins verfolgen können, in dem sie seine Enden markierten und diese Markierungen unter dem Mikroskop sichtbar machen konnten. Dabei kam heraus, dass Titin dynamischer ist als angenommen. Bislang dachte man, es bilde das Gerüst der Sarkomere, die die Kontraktion der Zellen steuern. Tatsächlich fungiert es als eine Art Rettungsdienst, der fehlerhafte und erschöpfte Proteine entdeckt, abtransportiert und abbaut. Die Lebenszeit eines Proteins, so fand man heraus, beträgt einige Stunden. Außerdem entdeckte man, dass es verschiedene Formen des Proteins gibt. Mit einem besseren Verständnis der sogenannten Myofilamentstruktur in den Muskelzellen können dann Biologen und Mediziner neue Ansätze in der Behandlung von Krankheiten entwickeln, zum Beispiel bei Herzerkrankungen.
Zelle künstlich bauen
In Dresden haben Forscher jüngst eine künstliche Zelle gebaut, mit der man grundlegende Funktionen erforschen und testen kann. Das hilft später Medizinern, neue Medikamente zu entwickeln. Auch wenn eine menschliche Zelle sehr klein ist, sind die Prozesse, die in ihr ablaufen, sehr komplex. Sie in der Gesamtheit nachzuahmen ist nicht möglich, deshalb reduzierten die Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für molekulare Zellbiologie und Genetik (MPI-CBG) in Dresden und des Max-Planck-Instituts für Kolloid- und Grenzflächenforschung (MPIKG) ihr Modell auf wesentliche Funktionen. Im Modell wurden verschiedene Bestandteile mit Membranen ausgestattet, die dann ins Innere der Kunstzelle eingebracht wurden. Dann beobachtete man die Unterschiede, die durch veränderte pH-Werte hervorgerufen wurden. Man konnte zum Beispiel bestimme chemische Reaktionen durch den Säuregehalt an- oder ausschalten.